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Donovan-Interview

Nach 10 Jahren Rückzug aus der Öffentlichkeit ist der bekannte Folk-Sänger Donovan (Sunshine Superman, Mellow Yellow, The Universal Soldier, Atlantis) mit einer neuen CD und neuen Ideen wieder zurückgekehrt. In Frankfurt gab er kürzlich vor 700 Menschen ein Konzert in einer Kirche und ein Seminar zum Thema „Musik & Mythos". Er versteht sich selbst als Barde der keltischen Tradition. Seine Vision sind rituelle Konzerte.

David Luczyn sprach mit ihm in Frankfurt.

David Luczyn: Wie lange hast Du Dich jetzt aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und warum?

Donovan: (Seufzt). Ich denke nicht, daß ich vom Musikgeschäft weg war. Meine Musik war immer unterwegs. In den 60em veröffentlichte ich 8 Alben, in den 70ern 9 und in den 80ern 3. Aber von 1983 bis 1993 betrat ich einen sehr seltsamen Teil des „Waldes". 1983 entschied ich mich, nichts mehr aufzunehmen, da ich eine merkwürdige Phase in meinem Leben erreicht hatte. Ich hätte eine Legende werden können, einer, der immerzu seine Hits spielt. Aber das konnte und woll-te ich nicht. Ich bin kein Entertainer, auch wenn ich in der Unterhaltungswelt war aus der freien Wahl, in der Popmusik bestimmte mystische Ideen zu präsentieren. Es war meine Vision, die Möglichkeit der Veränderung Millionen von „Teeniepoppers" bekannt zu machen. Aber der bohemische spirituelle Kreis, dem ich angehörte, wollte das nicht. Ich wollte es jedoch und die Beatles, Pete Townsend, Carlos Santana, Roger McQuinn und Leonhard Cohen ebenso. 1983 war ich zu einem anerkannten Star geworden und das brachte mich in eine Krise - sowohl bezüglich meiner Identität als auch meiner künstlerischen Integrität. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Meine Frau Linda, meine Muse und Sunshi-ne-Supergirl, mit der ich Kinder und Familie habe, verstand mich, konnte mir aber nicht helfen. Da las ich das Buch von Colin Wilson „Der Outsider", das eine Studie von Charakteren wie mich aus der Welt der Musik, Dichtung, Literatur und Theater war. Alles Menschen, die in jungen Jahren schon großen Erfolg hatten. Mein Problem war, daß alles, was ich getan hatte, 15 Jahre passierte, bevor die Welt den gleichen Bewußtseinswandel durchlebte. Das Buch spricht von der Krise, die auch Hemingway hatte. Man hat etwas vollzogen und ist allein damit. Wie im Cyberspace. Ich konnte mich nicht mehr wiederholen. Und so vergingen 10 Jahre. Ich begann zu trinken (keine Drogen, aber Wein) und machte viel durch, bis wir 1993 nach Dublin zogen. In dieser Zeit hatte ich in Kalifornien in der Wüste gelebt (wo wir Land besitzen) wie ein Mönch im Retreat. Das war 7 Jahre lang. Nur hin und wieder kam ich heraus, um Konzerte zu geben. 1990 gingen wir dann nach England zurück und besuchten danach Dublin. Ich traf alle meine Freunde aus der alten und neuen Produktion wieder. Und sie öffneten die Arme und sagten: „Willkommen zuhause" So mieteten wir ein Haus für ein Jahr und die ersten sechs Monate waren eine einzige Party. Es war wie Heilung für mich. Und wir entschieden uns, hierzubleiben. Ich realisierte, daß ich ein Barde bin, ein Troubadour von einer Tradition.

In dieser Zeit begann es normal zu werden, daß überall - vor allem in den USA - New Age-Gedanken und Methoden in Talk Shows diskutiert wurden, als ob sie normal und akzeptiert wären. Und ich dachte, die neunziger sind die sechziger umgedreht oder die neunziger sind die sechziger „von innen nach außen gekehrt". Und ich realisierte, daß ich ein „Alter" (elder) geworden war, eine Art Ikone, eine Legende mit 50 Jahren.

Frage: Du bist damals gleichzeitig und zusammen mit den Beatles nach Indien zu Maharishi gegangen. War das ein entscheidender Punkt in Deinem Leben?

D.: John, Paul, George, Ringo und ich hatten uns schon zwei Jahre vor Maharishi mit Meditation und östlicher Philosophie beschäftigt. George hatte mir das Buch von Yogananda „Die Autobiographie eines Yogi" geliehen und John las das „Tibetische Totenbuch". Aber keiner hatte uns praktisch in die Meditation eingeführt. So sagten wir damals alles ab und gingen für sechs Wochen nach Indien. Und ein Troß von Journalisten folgte uns. Gott sei Dank verschwanden sie nach 3 Tagen wieder. Aber meine entscheidende Wende fand mit 16 statt, als ich begann, Alan Watts, Jack Kerouac und William Butler Yeates (irischer Dichter) zu lesen. Das war der Ruf für mich. Nicht Maharishi. Außerdem realisieren die wenigsten, daß es hinter Maharishi noch eine Figur gab, den wahren Guru. Und das war Guru Dev. Maharishi war nur der Lehrer, den Guru Dev mit einer Botschaft in den Westen gesandt hatte.

Frage: Was denkst Du heute über Maharishi, TM und die ganze Organisation?

D.: Ich bin noch in Kontakt mit der Gruppe, bin aber nicht Teil der Organisation. Ich mache auch noch TM, aber nicht ausschließlich, sondern verwende auch andere Methoden.

Frage: Was ist Deine spirituelle Praxis heute?

D.: Die esoterischen Traditionen der Barden. Ich kann in Zuhörern den ,,Ruf" wecken, den Sinn für die Entdeckung Deines individuellen Weges. Dies ist eine keltische Kunst, die kaum verstanden worden ist. Die erste Sprache ist die der Symbole und der Kunst, die nicht von Augen, Ohr und Körper, sondern von einem subtilen Teil in uns verstanden wird. Die zweite ist die der materiellen, pragmatischen Kommunikation, wie ich zum Beispiel von hier nach da komme. Ich war ein Adept der ersten Sprache, ohne es zu wissen.

Frage: Das heißt, Du hattest keinen spezifischen Lehrer dafür?

D.: Nein, ich hatte diese Kraft, ohne sie von Vater oder Mutter geerbt zu haben. Sie war einfach da. Es gab lediglich einen Lehrer auf meinem Weg: Derril Adams, ein Banjo-Spieler aus Amerika, der auch mit Pete Seeker und Woody Guthry zu-sammen war. Diese Meister der Musik - und dazu gehört auch Joan Baez - hatten die Fähigkeit, mit Millionen von Leuten zu kommunizieren. Ich dachte, sie sind nur Folk-Sänger genau wie ich. Aber dann realisierte ich, daß wir von der glei-chen Tradition sind, und die ist bardisch und keltisch. Dies beinhaltet das ungewöhnliche Talent der direkten Kommunikation durch diese Elemente. Enya gehört auch dazu. Es ist nicht der Inhalt, die Lyriks, es ist die Kunst des Sprechens, die auch große Schauspieler beherrschen. Und wie man sie benutzt, um etwas zu bewegen, um Menschen zu erreichen. Denn Worte haben Formen, die bestimmte Gedanken hervorrufen.

Das ist ein Mysterium und ein geheimes Wissen. Die letzte Schule dafür hat im 17. Jahrhundert in Schottland geschlossen. So wie ein Maler die Kunst des Mischens von Farbe beherrschen muß, so muß in der bardischen Schule der Sänger hunderte von Liedern auswendig lernen, bis er sie fließend spielen und singen kann. Erst daraus entsteht eines Tages ein eigener Stil. Durch diese Praxis lernt man die Formen zu erkennen und die damit verbundenen Reaktionen.

Frage: Und wie hast Du es gelernt?

D.: Ich bin ein reinkarnierter Barde. Ich habe es mitgebracht. Anders kann ich es nicht erklären. Der Beweis sind die Millionen von Menschen, die bewegt und berührt waren. Als ich die Gedichte von William B.Yeats las und die Geschichtsbücher der bardischen Tradition, erkannte ich es. Sieben Jahre lang lernt der junge Barde die occasional? Lieder, die nächsten 7 Jahre lernt er die Geschichte und die Geniology? und die letzten 7 Jahre lernt er die esoterischen Mysterien der Musik. Als ich das zum ersten Mal las, kam mir das sofort bekannt vor. Ich fühlte es einfach. Wenn ich in einem Film die tibetischen Glocken höre, dann sind sie mir auch sehr vertraut.

Frage: Ist das der Hintergrund, aus dem heraus Du jetzt begonnen hast, Workshops zu leiten?

D.: Ich bin nicht ganz sicher. Was ich Dir beschrieben habe, ist eine subtile Art der Vermittlung durch Musik und Kunst. Was ich jetzt versuche - und das ist noch ein Experiment -, ist die direkte Vermittlung. Und das ist etwas anderes. Wenn ich Workshops mache, dann unterrichte ich Lehrer. Durch Musik erreiche ich Schüler. Ich glaube nicht, daß ich durch diesen Workshop die Massen erreichen kann. Mein Workshop funktioniert besser mit Sängern, Tänzern und Kunstdirektoren, die etwas mehr darüber lernen wollen, was es bedeutet, etwas zu projezieren. Ich möchte die Lehrer lehren. Im Moment ist es noch sehr harte Arbeit für mich. In den Seminaren kenne ich jeden einzelnen bei seinem Namen und einen Teil seiner Geschichte, während ich bei Konzerten, wo ja alle im Dunkeln sitzen, zu einem symbolischen Teil von uns singe. In den Seminaren werde ich in das Leben der Teilnehmer mit einbezogen. Das ist eine ganz seltsame Art von Verantwortung. Fast wie eine große Familie.

Frage: Möchtest Du etwas Besonderes mitteilen oder vermitteln durch Deine Workshops? Hast Du eine Vision oder machst Du es, weil Du Geld verdienen mußt?

D.: Nein, ich mache das nicht wegen dem Geld. Ich bin kein Depak Chopra der darnit Millionen macht. Ich mache nicht wirklich Geld damit. Ich lerne dabei selber. Zum Beispiel auch etwas über die Zukunft und was sie beinhaltet. Ich frage mich beispielsweise, ob es möglich ist, daß Konzerte in der Zukunft wie eine Art Ritual sein können, wo das Publikum hinkommt und eine Transformation erfährt. Wir haben kaum noch Rituale und deswegen ist z.B auch Karnveal so anziehend. Wir haben die Rituale verloren. Ich will also herausbekommen, ob ich Rituale in Konzerte übertragen kann. Ich bin jetzt 52 Jahre alt. Es wird bald eine Retrospektive meiner Arbeit in Form eines Buches geben. Aber ich bin noch nicht am Ende meines Weges angelangt. Ich erhalte Angebote von sehr erfolgreichen New Age-Music Labels, die interessiert sind, daß jemand wie ich, der wohl der erste Popmystiker in der Musikgeschichte war, jetzt in einer Zeit, wo New Age-Gedanken akzeptierter sind, etwas machen könnte. Also Unterhaltung und Rituale zu einer Sache zu machen. Auch andere Leute denken über so etwas nach.

Frage: Du suchst also durch diese Workshops Anregungen und Inputs für diese Art von rituellen Konzerten zu erhalten?

D.: Ja, ich denke tatsächlich, daß rituelle Konzerte etwas sind, das ich gerne ausprobieren würde.

Frage: Was denkst Du denn über die New Age-Bewegung, wie sie sich jetzt entwickelt hat?

D.: Es ist eine natürliche Entwicklung. Eine Generation, die neue Wege entdecken will, die Welt zu betrachten. Das ist eine natürliche Entwicklung. Eine Generation, die in einem Christentum aufgewachsen ist, das auszusterben droht aus Mangel an spirituellem Sauerstoff. Es ist die natürliche Entwicklung einer Generation, die in einer nuklearen Welt, in der das Ende morgen da sein kann, aufgewachsen ist. Außerdem beinhaltet es eine Wiederentdeckung der Erde und das, was sie für uns bedeutet als ein lebendiges Wesen. Der Begriff New Age ist übrigens schon etwas überholt. In Amerika sagt man jetzt „Holistic Transformation" (ganzheitliche Transformation).

D.Luczyn: Danke für das Gespräch

Seit kurzem ist Donovan´s neue CD „Sutra" auf dem Markt.

8650 Z., © David Luczyn

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